Recht interessant für alle Reisende ist der Vorlagebeschluss des Bundesgerichtshofs vom 17.07.2007, AZ: VIIII ZR 95/06 zum Europäischen Gerichtshof.

Folgende Frage soll beschieden werden

  1. Ist bei der Auslegung des Begriffs „Annullierung“ entscheidend darauf abzustellen, ob die ursprüngliche Flugplanung aufgegeben wird, so dass eine Verzögerung unabhängig von ihrer Dauer keine Annullierung darstellt, wenn die Fluggesellschaft die Planung des ursprünglichen Fluges nicht aufgibt?
  2. Falls die Frage zu 1) verneint wird: Unter welchen Umständen ist eine Verzögerung des geplanten Fluges nicht mehr als Verspätung, sondern als Annullierung zu behandeln? Hängt die Beantwortung dieser Frage von der Dauer der Verspätung ab?

Aus den Gründen des Vorlagebeschlusses

Eine Familie hatte eine Flugreise gebucht. Wie üblich gab es eine Fluggesellschaft, eine Flugnummer und entsprechende Abflugtermine.

Als die Familie sich, pünktlich, zum Abflug m Flughafen einfand, musste sie feststellen, dass der Flug nicht stattfand, er fand erst ca. 25 Stunden später statt, allerdings mit der für den ursprünglichen Flug vorgesehenen Flugnummer. Angeblich hat der Flugkapitän sogar mitgeteilt, der ursprüngliche Flug werde annulliert (gecancelt). Dies habe so auch auf der Anzeigetafel gestanden. Die Familie meinte, dass hier keine Verspätung oder Verzögerung des Fluges vorlag, sondern bei 25-stündiger Verzögerung, unabhängig davon, ob die Flugnummer beibehalten wurde oder nicht, eine Annullierung vorgelegen habe.

Hintergrund ist, dass nach der EG-Verordnung Nr. 261/2004 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 11.02.2004 bei Annullierung eines Fluges der Fluggast eine „pauschalierte Entschädigung“ von je € 600,00 von der Fluggesellschaft fordern kann, wenn, wie hier, die Flugstrecke mehr als 3500 km betrug. Eine entsprechende Entschädigungsregel findet sich in Artikel 7 dieser Verordnung, nationales Recht oder internationale Abkommen sehen grundsätzlich keine Entschädigungsansprüche vor.

Wen wundert es, dass die Fluggesellschaft der Auffassung war, dass aufgrund der beibehaltenen Flugnummer lediglich eine Verzögerung und keine Annullierung des Fluges eingetreten sei, was, wen wundert es, natürlich nicht zu einer Zahlungsverpflichtung der Fluggesellschaft führen würde. Die Frage ist also: wann hat eine Fluggesellschaft einen Flug „endgültig aufgegeben“, damit, gegebenenfalls, von einer „Annullierung“ ausgegangen werden kann. Hier im konkreten Fall hatte die Familie sogar nicht nur das Vergnügen, 20 Stunden auf den Weiterflug warten zu müssen, sie hatte, ursprünglich korrekt eingecheckt, auch das Fluggepäck wieder zurück erhalten.

Nach unserer Meinung kann es nicht darauf ankommen, welche Qualität Wortspielereien haben können

Nach allgemeinem Empfinden dürfte wohl eine Verzögerung von mehreren Stunden in Bezug auf einen konkreten Flug nicht als „Annullierung“ zu verstehen sein, wenn aber, wie hier, eine „Zeitspanne von 25 Stunden“ zwischen den beiden Flugterminen liegt, kann dies nicht mehr mit einer “Verzögerung“ entschuldigt werden, da es ansonsten keine zeitliche Grenze mehr für eine Verzögerung gäbe. Möglicherweise könnte man mit dieser Argumentation auch bei der Verschiebung eines Fluges um eine Woche noch von einer „Verzögerung“ sprechen, wenn und soweit auf jeden Fall die ursprüngliche Flugnummer beibehalten wird.

Die Flugnummer und auch der Flugzeugtyp können hier nicht Begründung dafür sein, dass eine Annullierung vorliegt oder nicht.

Man kann, allenfalls, eine zeitliche Begrenzung für eine Verzögerung definieren und muss dann festlegen, dass alles „was nach diesem Zeitlimit“ noch stattfindet, einer Annullierung gleich kommt.

Ansonsten würde die durchaus wohlgemeinte Entschädigungsverordnung des Europäischen Parlaments und Rates „ins Leere laufen“.

Wie der eigentlich recht verbraucherfreundliche Europäische Gerichtshof entscheidet, bleibt abzuwarten, wir halten Sie auf dem Laufenden.